Die von einem Journalisten verfassten Artikel zu tagesaktuellen Ereignissen dürfen ohne dessen ausdrückliche Zustimmung nicht zusätzlich in ein Online-Archiv eingestellt werden. Dies entschied das Brandenburgische Oberlandesgericht jüngst.
Geklagt hatte ein freier Journalist, der über Jahre für eine Zeitung schrieb. Diese Artikel waren über mehrere Jahre kostenfrei, seit Juni 2010 entgeltlich auch in einem Online-Archiv abrufbar. Hieran störte sich der Journalist und forderte das Presseunternehmen auf, die Einstellung seiner Texte in das elektronische Archiv zu unterlassen. Eine derartige Nutzung seiner Artikel stelle eine wirtschaftlich eigenständige Verwertungsform und Nutzungsart dar.
Nach dem Landgericht Potsdam stand dem Journalisten kein Unterlassungsanspruch zu. Das Gericht ging dabei davon aus, dass der Kläger bereits seit dem Jahr 2003 von dem öffentlich zugänglichen Online-Archiv wusste. Er habe einer Nutzung seiner Artikel konkludent zugestimmt.
Dies sah das Brandenburgische Oberlandesgericht anders. Der Umfang der vom Urheber eingeräumten Nutzungsrechte richte sich nach dem Vertragsinhalt. Ausdrücklich habe der Journalist seiner Auftraggeberin keine Nutzungsrechte für die Veröffentlichung seiner Artikel in einem Online-Archiv eingeräumt. Fehlten ausdrückliche Regelungen, so sei von dem nach dem gesamten Vertragsinhalt von den Parteien übereinstimmend verfolgten Vertragszweck und den danach vorausgesetzten Bedürfnissen der Vertragspartner auszugehen. Der Zweck der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge rechtfertige nicht die Annahme, der Journalist habe der Zeitung die Rechte zur Einstellung seiner Artikel in ihr Online-Archiv eingeräumt.
So stelle die Einstellung von für die tagesaktuelle Berichterstattung verfassten Artikeln in ein Online-Archiv eine gesonderte Nutzungsart dar, die vom Vertragszweck nicht gedeckt sei. Denn Journalisten hätten in der Tageszeitung – ob in Papierform oder im Internet – über tagesaktuelle Ereignisse zu berichten. Die Veröffentlichung erfolge dabei typischerweise in unmittelbarem Zusammenhang mit den Ereignissen, über die berichtet werde. Ein Archiv habe dagegen eine andere Funktion. Hierbei handele es sich um eine Datenbank, die, wenn sie mit einer Suchfunktion ausgestattet ist, als Nachschlagewerk dienen könne. Dies sei etwas grundsätzlich anderes als die Veröffentlichung von aktuellen Berichten, die typischerweise selten über ein oder mehrere Tage hinaus aktuell von Nutzern einer Zeitung in Papierform oder im Internet nachgefragt werden.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz könne auch nicht von einer stillschweigenden Einräumung entsprechender Nutzungsrechte ausgegangen werden. Im Hinblick auf die Auslegungsregel des § 31 Abs. 5 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG), wonach der Urheber im Zweifel nur Rechte in dem Umfang einräumt, den der Vertragszweck unbedingt erfordert, sei mit der Annahme einer stillschweigenden Nutzungsrechtseinräumung Zurückhaltung geboten. Die Einräumung von über den Vertragszweck hinausgehenden Nutzungsrechten könne nur angenommen werden, wenn ein entsprechender Parteiwille aufgrund der Begleitumstände und des schlüssigen Verhaltens der Beteiligten unzweideutig zum Ausdruck gekommen sei. Dies könne hier nicht festgestellt werden (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28.08.2012, Az. 6 U 78/11).
Tobias Kohl, LL.M.
Rechtsanwalt