Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main traf eine Entscheidung zu den Grenzen des Begriffes der Zeitgeschichte nach dem KUG. Wann wurde die Tochter von Michael Schumacher, Gina Maria Schumacher, noch im Rahmen des zeitgeschichtlichen Ereignisses eines Reitturniers abgelichtet? Und wann wurde die Grenze des öffentlichen Informationsinteresses überschritten?
Worum geht’s?
Gina Maria Schumacher klagte gegen einen Zeitungsverlag auf Unterlassung der Veröffentlichung von insgesamt fünf Fotos in Zusammenhang mit der Textberichterstattung über sie und ihre Familie.
Vier von den streitgegenständlichen Faotos zeigen die Klägerin mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter am Rande eines Reitturniers in Rom. Auf der Titelseite der Zeitschrift befindet sich zudem ein Ausschnitt eines der Bilder mit der Ankündigung des Artikels.
Der Artikel selbst befasst sich hauptsächlich mit der familiären Situation der Klägerin nach dem Unfall von Michael Schumacher. Der Artikel erwähnt dabei weder den Namen des Turniers noch dessen Rang oder weitere Teilnehmer. Im Mittelpunkt steht dagegen die Mutter der Klägerin, die selten in der Öffentlichkeit auftritt.
Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Das Landgericht (Frankfurt) hat der Klage auf Unterlassung in vollem Umfang stattgegeben. Zum einen hat die Klägerin nicht – auch nicht konkludent – in die Veröffentlichung der Bilder eingewilligt. Zum anderen handelt es sich bei den streitgegenständlichen Aufnahmen auch nicht um Bildnisse der Zeitgeschichte. Das zeitgeschichtliche Ereignis „Reitturnier“ rechtfertigt lediglich die Veröffentlichung von Bildern, die die Klägerin auf dem Pferd während des Turniers zeigen.
Das OLG Frankfurt a.M. bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und setzte sich in seiner Entscheidung mit den Grenzen des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auseinander.
Was ist das Zeitgeschehen?
Das Zeitgeschehen wird durch das allgemeine gesellschaftliche Interesse definiert. Bei Artikeln, die der Unterhaltung und der Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit dienen sollen, sind stets die kollidierenden Rechtspositionen abzuwägen. Dabei kommt es darauf an, ob im konkreten Einzelfall eine ernsthafte und sachbezogene Berichterstattung stattfindet. Der Informationsgehalt der Bildberichterstattung wird dabei im Gesamtkontext ermittelt.
Das OLG Frankfurt a.M. ist der Ansicht, dass das Reitturnier allein ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sei. Im Ergebnis stehen die streitgegenständlichen Aufnahmen jedoch in keinem ausreichenden Sachbezug zu diesem Turnier. Vielmehr bieten diese einen Anlass über das Privatleben der Klägerin und ihrer Mutter zu berichten. Die streitgegenständlichen Aufnahmen wurden nämlich nur am Rande des Reitturniers aufgenommen. Ein öffentliches Informationsinteresse besteht daher lediglich an den nicht angegriffenen Bildern, die die Turnierteilnahme der Klägerin zeigen.
Die Entscheidung berücksichtigt auch den Rückzug der Familie aus der Öffentlichkeit nach dem Unfall von Michael Schumacher und deren Umgang mit der Situation. Die streitgegenständlichen Aufnahmen verletzen nach Ansicht des Gerichts die Klägerin in ihrem berechtigten Interesse trotz des Unfalls ihres prominenten Vaters ihrem „normalen Alltagsleben“ nachzugehen.
Einzelfallentscheidung
Mit dem Urteil des OLG Frankfurt a.M. wurde eine erneute Einzelfallentscheidung getroffen. Gerade bei einer etwaigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch eine Berichterstattung ist eine Abwägung mit der Pressefreiheit aus Art. 5 GG vorzunehmen. Dabei sind immer die besonderen und konkrete Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Damit lässt sich auch die vorliegende Entscheidung erklären. Obwohl sich Gina Maria Schumacher in der Öffentlichkeit und in einem öffentlichen Raum aufgehalten hat, ist sie in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Und zwar nicht wegen der Fotos allein, sondern wegen des Gesamtkontextes von Bildaufnahmen und der Berichterstattung. Artikel und Aufnahmen müssen stets in einem sachbezogenen Zusammenhang stehen. Diese Voraussetzungen erfüllte der Artikel der Beklagten jedoch nicht.